Sachsen-Anhalt führt an Gymnasien neues Pflichtfach „Wirtschaft“ ein – was wir davon halten

Nicht nur von Fachleuten, sondern auch von Schülern selbst werden immer wieder Praxisbezug und Alltagstauglichkeit der deutschen Schuldbildung bemängelt. Gewisse Berühmtheit hat in diesem Zusammenhang der Tweet einer Schülerin erlangt, der vor nunmehr zehn Jahren viral ging. Unter dem Usernamen Naina prangerte die damals 17-Jährige die fehlende Vermittlung von Allgemein- und vor allem Finanzwissen an unseren Schulen an: „Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“

Trotz des Rechtschreibfehlers hat die Schülerin mit ihrem damaligen Tweet ihren Finger auf eine Wunde gelegt, die heute noch genauso „schmerzt“ wie damals. Denn noch immer kommen Wirtschafts- und Finanzthemen auf den Stundenplänen viel zu selten vor. Ein Bundesland will dies zumindest an den Gymnasien ändern und „Wirtschaft“ als Pflichtfach einführen. Als engagierte Verfechter der Stärkung von Finanzkompetenz in Deutschland wollen wir dieses Vorhaben in dieser Woche einmal etwas näher betrachten.

Eine Stunde „Wirtschaft“ für Siebt- und Achtklässler

Hätten wir die Wahl, wirtschaftliche Zusammenhänge und grundlegende Finanzthemen zu verstehen oder ein Gedicht analysieren zu können, würden sich die meisten von uns mit Blick auf den Alltagsnutzen wohl für mehr Finanzwissen entscheiden. Diese Einschätzung teilt offensichtlich auch das Ministerium für Bildung des Landes Sachsen-Anhalt, hat es doch ab dem Schuljahr 2026/27 mit „Wirtschaft“ neues Pflicht-Schulfach für die Sekundarstufe I ihrer Gymnasien eingeführt. Eine Stunde pro Woche sollen den Siebt- und Achtklässlern dort finanzielle Themen und wirtschaftliche Grundbildung nähergebracht werden. Im Anschluss an diesen zweijährigen Zeitraum wird die Belegung optional: Ab der Jahrgangsstufe 9 können Schüler das Fach „Wirtschaft“ dann auf Wunsch als Wahlpflichtfach bis zum Abitur fortführen. Bislang hatten Gymnasiasten in Sachsen-Anhalt lediglich die Möglichkeit, ab der neunten Klasse den Wahlkurs „Wirtschaftslehre“ zu belegen.

Um die Gesamtanzahl der Unterrichtsstunden nicht zu erhöhen, sollen in den Jahrgangsstufen sieben und acht im Gegenzug die wirtschaftlichen Inhalte aus den Lehrplänen der Fächer Geografie und Sozialkunde entfernt und eine Stunde Geografie-Unterricht gestrichen werden.

Finanzkompetenzen besser früher als später stärken

Obwohl die Pläne der Landesregierung nicht überall auf Zustimmung stoßen und vor allem Lehrkräfte dem neuen Fach zum Teil kritisch gegenüberstehen, müssen wir offen sagen: Jeder Schritt in Richtung wirtschaftliche Grundbildung ist aus unserer Sicht wichtig und lobenswert. Und langjährige Erfahrungen zeigen, dass mit der Vermittlung von Finanzwissen am besten so früh wie möglich begonnen werden sollte. Neben dem Elternhaus stehen diesbezüglich in diesem Alter eben vor allem die Schulen in der Pflicht. Auch wenn der bisherige Wahlkurs „Wirtschaftslehre“ ein durchaus gutes Angebot an den Gymnasien von Sachsen-Anhalt dargestellt hat, ist ein verpflichtendes Schulfach bereits ab der siebten Klasse eine deutlich wirkungsvollere Maßnahme, um die wirtschaftlichen Kompetenzen junger Menschen zu stärken. Aus diesem Grund stehen wir dem Vorstoß von Sachsen-Anhalt in Sachen Finanzbildung ausgesprochen positiv gegenüber.

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